12.08.22
„Ich fahr jetzt nicht ernsthaft mit den Amish People hier in den Amazonas, oder?“, frage ich mich, als die amerikanische Familie zu mir in den Pick-up steigt. Die 6-jährige Audrey trägt ein biederes langes Kleidchen und eine Kopfbedeckung, wie sie oft die Amish People tragen. Eine streng religiöse Gruppe. Na das kann ja lustig werden. Immerhin ist der Rest der Familie halbwegs normal gekleidet.
Wir steigen am Südufer des Rio Negro in ein „motorisiertes Kanu“, das uns zum Anaconda Resort bringen soll, welches sich wiederum auf einer Flussinsel befindet.


„Resort“ ist natürlich eine sehr beschönigende Bezeichnung, das war mir schon klar. Für 100 Euro pro Nacht bekommt man im Amazonas eher einfache Unterkünfte… Die richtig geilen Lodges mit dunklem Holz und Atmosphäre gehen dann bei knapp 200 Euro pro Nacht los, Preise nach oben offen (und vieles war auch schon ausgebucht, weil ich mich nicht gekümmert hab).




Es sind schon um die 10 Leute da, als wir dazukommen. Zwei weitere amerikanische Familien. Eine Harley-Davidson-Rocker-Familie mit ihrer erwachsenen Tochter, alle drei ketterauchend und tätowiert. Die Tochter dürfte mein Alter sein. Ich nenne sie Hunchback Peggy, weil sie eine noch schlechtere Haltung hat, als ich, und so buckelig wie Quasimodo daherkommt. Ich ziehe bei ihrem Anblick meine Schultern gleich mal 5 cm zurück. Und dann ist da noch ein alleinerziehender American Dad mit drei Teenagern, ebenfalls ein Raucher. Und den Rest bilden ein Vater-Sohn-Gespann aus Berlin sowie ein alleinreisender italienischer Steuerberater.
Wow. Ok. Dass das hier so family-lastig wird, hätte ich nicht gedacht.

Nach einem sehr guten und ausgewogenen Essen (Bohnen, Reis, Hühnchen, Fisch, Rote Beete, Wurzelgemüse, Salat, Melone, … ) startet dann das Programm, um das man hier leider nicht drumherum kommt. Wenn ich schon das Wort „Tour Package“ höre, krieg ich’n Schreikrampf. Es war aber, egal was ich gegoogelt habe, offensichtlich „the thing to do“.
Todesmutig arbeite ich den Programmpunkt ab, vor dem ich mich am meisten fürchte: Swimming with pink dolphins. Diese Kreaturen sind die hässlichsten Delfine, die ich je gesehen habe, wirklich. Hautfarbene bis gräuliche Tiere mit einer sehr langen Schnauze, in der sich eine Reihe schwarzer Stummelzähnchen verbergen. Absolut widerlich. Und in Wirklichkeit heißen sie, glaube ich, auch Schweinswale und nicht Pink Dolphins. Das trifft’s schon deutlich eher. Aber dann könnte man es den Touristen ja nicht so gut verkaufen.


Ein weiterer Programmpunkt war zwar nicht eklig, dafür aber enttäuschend: Visiting a native family. Hoho, ‚a native family‘, das klingt erstmal spannend. Nur leider waren damit nicht die indigenen Stämme gemeint, sondern einfache Flussdorfbewohner. Normale Brasilianer. Der Besuch ist dermaßen langweilig, das ich kein einziges Foto mache und wirklich ziemlich enttäuscht bin.
Nächster Programmpunkt: Piranha fishing. Da muss ich sagen, das war besser als erwartet. Das lag aber auch daran, dass mittlerweile eine nette Gruppe Italiener angekommen war, und mit denen war es ganz lustig auf dem Boot.


Ok. Nun zu mehr schönen Erlebnissen. Bezaubernd fand ich dann die Mangrovenwälder und die unendliche Sanftheit des Rio Negro. Mir war gar nicht klar, was es mit diesem Fluss auf sich hat. Also er ist schwarz wie ideal lang gezogener Tee. Klar. Keine Matschbrühe wie der Rio Amazonas oder der Rio Solimoes, auf den wir uns morgen begeben. Er hat einen sauren ph-Wert, weswegen er angeblich die Moskitos vertreibt (tatsächlich gab es kaum welche!) und das Baden im Fluss sei sehr gesund. Daher sind wir auch an einer Stelle ohne Piranhas mehrmals baden gewesen. Weil das Wasser an sich sehr klar ist, gab es wunderschöne Spiegelungen.


Ja … schon schön. Und ganz besonders die Morgenstunden im Resort, wenn der Generator endlich um 6.00 Uhr morgens aufhörte, zu rattern, waren ein Traum an Friedlichkeit und Naturschönheit. Ich saß dann einfach da, die Dschungelgeräusche im Rücken, den Sonnenaufgang vor mir.


Kommen wir langsam zum Ende. Sorry, dass das hier so lang wurde. Man kommt dann halt doch ins Labern…
Wir wollten dann doch noch eine indigene Familie sehen, wohlwissend, dass auch das nicht so 100%ig authentisch ist, aber gut. Und es war zumindest mal sehenswert und auch hörenswert. Denn die hatten doch mindestens 4 verschiedene Waldinstrumente drauf, die sie dann während einer „Zeremonie“ gespielt haben.


Videos hab ich auch gemacht, aber nicht zusammengeschnitten. Vielleicht reich ich das noch nach.
Und einer der letzten Programmpunkte war eine Dschungelwanderung. Sie war exakt 2 km lang. Also … unter ner Wanderung verstehe ich etwas anderes, aber gut. Mit den Italienern im Bunde lass ich mich dann auch zum Tarzanspielen hinreißen und finde es – wie man sieht – auch ganz lustig 🙂



Vor allem die Bootsfahrten durch den Regenwald und die Geräusche im Dschungel haben es mir sehr angetan. Das ist schon cool. Ich werd auch ganz sicher nochmal auf Dschungeltour gehen, aber anders. Und vor allem da, wo mehr Tiere sind. Denn außer zwei Taranteln, einer mini Schlange und Monstermaden gab es wenig wirklich Sehenswertes.



Zurück in Manaus treffe ich dann nach vier Tagen im Dschungel endlich Ronny und Christina, zwei gute alte Freunde. Sie sind noch viele Monate unterwegs, und ich freue mich, sie auf einem kleinen Abschnitt begleiten zu können.
Wir erkunden die Stadt, gehen sogar ins Stadtmuseum, in die berühmte Oper (allerdings nur auf ein Konzert) und … wir gehen zweimal Pizza essen!
Denn ab Samstag werden wir gemeinsam eine 7-tägige Amazonas-Flussfahrt machen. Bohnen und Reis dürften täglich im Programm sein, da darf man vorher auch nochmal Pizza reinstopfen.
Wir fahren mit einem ganz normalen Passagier- und Frachtschiff, das immer mal wieder hält, sodass man die Gegend erkunden kann.
Die Reise geht nach Westen. Ziel: das 3-Länder-Eck Brasilien, Peru und Kolumbien.





Vielen lieben Dank, wenn du bis hierher gelesen hast – ich weiß das sehr zu schätzen. Es ist noch viel mehr passiert, aber ich denke, im Großen Ganzen hab ich die letzte Woche ordentlich zusammengefasst.
Ich melde mich frühestens in einer Woche wieder, denn bis dahin werde ich wiedermal kein Internet haben und angenehm offline über den Amazonas schippern… Hast also bissle Ruhe vom Blog-Gedöns 🙂
Beste Grüße aus der Lunge der Erde!
Eure Claudi

P.S.: Es gab technische Probleme, deswegen sind die Bildgrößen und -unterschriften leider nicht einheitlich. Sorry 😉