Heute ist Tag 33 meiner kleinen Brasilien-Rundreise und ich bin mittlerweile fast wieder am Ausgangspunkt angekommen, auf einer Insel 3 Stunden südlich von Rio. Hier ist es: WUNDERSCHÖN. Die Ilha Grande hat mich echt positiv überrascht, so viel vorab.
Sechs Stationen in fünf WochenLetzte Station: Ilha Grande (Brasiliens größte und grünste Insel)
Ich bin durch drei Zeitzonen und drei Klimazonen gereist, entsprechend unterschiedlich waren auch alle Gegenden.
Vom Amazonas bin ich mit drei Teilstreckenflügen dann am 22.08.22 an der Bahia (Nordostküste) in Salvador angekommen. Man hält sich hier in der kleinen Altstadt auf – die Stadt selbst ist aber eine weitere Millionenstadt! Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm, dass Brasilien so viele Millionenmetropolen hat…
Koloniale Altstadt von Salvador
Jedenfalls ist es in und um Salvador laut und bunt. Und sehr afrikanisch geprägt. Auch das hatte ich nicht auf dem Schirm: dass die Portugiesen ebenfalls schön beim Sklavenhandel mitgemischt haben. Was ich krass fand, waren die Namen der Bars und Cafés. Da findet man „Negro’s Bar“ oder das Café „Roma Negra“. Dazu posieren viele als „Big Mama“ verkleidete Damen für ein Foto mit dir. Krass. Maximale Klischee-Bedienung, oder?
Im Café „Roma Negra“ ein Päuschen machen…
Und die Trommelgruppen sind ebenfalls fester Bestandteil des Alltags. Man wacht morgens dazu auf und schläft abends dazu ein.
Kleine Trommler-Truppe in Pelourinho (Altstadtkern von Salvador)
Ebenfalls gelernt habe ich, dass Michael Jackson’s Video zu „They don’t care about us“ hier gedreht wurde. Und dass es um seine Wurzeln und die bis dato anhaltende Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung geht.
Big Mama (ganz links) unter Michael-Jackson-Balkon
…produced in Salvador
Der Kunstmarkt floriert hier ebenfalls, was allerdings Original und Fälschung ist, konnte ich nicht herausfinden 😉.
Afrobrasilianische Motive(klischeehaft?)
Ich fand’s gut, das mal zu sehen, würde aber sagen, zwei Tage Salvador reichen völlig. Mir war dann nach Inselleben, Ruhe und Strand. Aber eigentlich hätte ich mir denken können, dass es die Kombi „Ruhe UND Strand“ hier nicht gibt 😉.
Tapfer bin ich also mit Boot, Bus und Boot auf die „Morro de Sao Paulo“. Hatte da auch eine echt wunderschöne Unterkunft mitten im Grünen, und über die war ich auch sehr froh, denn am Strand war Halligalli und Bamboule!!! Zwischendurch hab ich mich gefragt, ob das hier das brasilianische Pendant zum Ballermann ist. Zwar gab es auch einsame Strände, aber zu denen musste man 2-3 km laufen oder ein Boot nehmen. Und an der Westküste gab es auch einsame Strände, aber die konnte man nur bei Ebbe erreichen und so war das alles nicht das, was ich mir so erhofft hatte.
Meine Pousada „Aquarela“ auf Morro de Sao PauloRuhe auf meinem wirklich hübschen BalkonBester Frühstücksplatz der Reise
So hat es in den 5 Tagen, in denen ich auf Morro war, die Unterkunft rausgerissen und weniger die Insel selbst. Was auch erschwerend hinzu kam, war, dass ich wirklich kaum Menschen getroffen habe, die Englisch gesprochen hätten. Das führte dann nach einigen Tagen doch zu etwas Heimweh und Einsamkeit.
Rückseite des Praia Segunda auf Morro.
Ich bin dann einfach mal bisschen wandern gegangen. Fand Trost in den kleinen und kleinsten Weggefährten.
Wenn du Heimweh hast, freunde dich mit den Blattschneiderameisen an.
… und wie das dann so ist, wenn man ein bisschen betrübt ist, kommt irgendwo ein Lichtlein her. Gleich zweifach. Auf einer Aussichtsplattform für den Sonnenuntergang tummeln sich viele Menschen, darunter auch eine nette Brasilianerin, die Englisch kann. Wir quatschen, bis die Sonne untergeht, u.a. auch über ihre Tochter, die bald nach Stuttgart kommt!
Sunset gatheringAbends im argentinischen Restaurant
Insgesamt gehört die Ilha Grande damit klar zu den Highlights meiner Reise, man findet in der Welt nicht allzu viele Orte, an denen sich Strandurlaub mit Wanderurlaub kombinieren lässt. Korsika fällt mir da spontan ein.
Fazit: Brasilien ist so riesig, dass man definitiv mehr als 5 Wochen braucht, um es zu erkunden. Die Wege sind weit, die vielen Inlandsflüge nerven ein wenig. Es gibt sehr schöne Unterkünfte, aber billig sind sie nicht. Es ist kein klassisches Backpacker-Land. Und was die Sprache angeht, so war es oftmals ein ziemliches Babylon, ein Durchwurschteln.
Und damit endet dieser Mini-Blog.
Im Sommer 2023 hätte ich dann wieder Zeit für die nächste Reise. Vielleicht mit dem Mofa nach Dubai. Oder zu den Berggorillas in den Kongo.
„Die Welt ist ein schönes Buch, aber sie nützt dem wenig, der nicht darin zu lesen weiß“, hat man mir mal ins Poesiealbum geschrieben. Von daher: weiterlesen. Und weiterreisen.
Danke für eure motivierenden Nachrichten an mich in Bezug auf diesen Blog – ich freue mich riesig, wenn ich ein wenig informieren und inspirieren konnte 😉.
Hey, ihr lieben virtuell Mitreisenden! Dieser Eintrag kommt ein wenig spät, denn die Ereignisse haben sich überschlagen. Neben vielen schönen Dingen mussten wir leider kurz vor Ende der Bootsfahrt erleben, wie der Amazonas ein Menschenleben verschluckt hat. Das zu verdauen hat einige Tage gedauert (und weswegen der Ton heute auch ein anderer ist, als sonst) … aber nun von vorne:
Innerhalb von 7 Tagen hat uns die Monteiro auf 1600 km von Manaus (Brasilien) nach Tabatinga bzw. Leticia (Kolumbien) geschippert. Eine Zwillings-Urwaldstadt. Alleine hätte ich so eine lange Fahrt eher nicht gemacht, aber zu dritt (mit Freunden aus D) schien es mir eine interessante Sache.
Die Monteiro ist kein Luxusdampfer, sondern ein regelmäßig verkehrendes Passagier- und Frachtschiff, das diesen eher weniger befahrenen Abschnitt des Amazonas bedient. Am Board trafen wir noch Ivan (franz.) und Cesar (bras./ital.) – und das hat die Reise doch gleich um ein Vielfaches lustiger gemacht. An Tag 1 ist dieses Foto entstanden, das im Hintergrund ein Naturphänomen zeigt: the meeting of the waters.
Los Gringos Locos antes da encontro das aguas (ich, Ivan, Chris, Ronny, Cesar, vorne Denise)
„Encontro das aguas“ ist die Stelle, an der der schöne, klare Rio Negro und der schlammige Rio Solimoes zunächst unvermischt nebeneinanderherfließen und später den eigentlichen Rio Amazonas bilden.
Voll beladen, mit 4 Kapitänen, 4-5 Servicekräften sowie ca. 300 Einheimischen und eben uns 5 Gringos ging es los auf die erste Etappe, die gleich mal 2 Tage dauerte, ohne Stopp.
Auf einem Boot reist der Großteil der Einheimischen im Lower Deck in Hängematten. Und Ivan und Cesar auch 😉 Die MonteiroMeine Kabine im Upper DeckSala de Estar (Aufenthaltsraum)Das wunderschöne BadezimmerKlospülung mit Flusswasser: ökologisch sinnvoll, sieht aber echt scheiße aus
Ich bin von diversen Low-Budget-Reisen allerdings noch Schlimmeres gewohnt, allen voran „Toiletten“ in Tibet, Indien und der Mongolei … deswegen komm ich klar. Und abgesehen davon hab ich ja eh keine Alternative 😉.
Wenden wir uns also den schönen Dingen zu, wie z.B. den traumhaften Sonnenuntergängen, die wir Abend für Abend bewundern durften.
No filter, I promise!!! Wie ein Leuchtfeuer in der Nacht …
Die Milchstraße sehen wir auch, denn es ist überraschend dunkel auf dem Fluss. Kaum was los. Und bei uns selbst brennen nachts nur ein paar Funzeln. Vielleicht zum Stromsparen? Jedenfalls gleiten wir Nacht für Nacht fast durch völlige Finsternis.
Das Boot macht erstmal ordentlich Strecke, bevor es dann nach 2 Tagen zum ersten Mal hält. Keiner kann immer genau sagen, wie lang der Entladungsvorgang geht, und so trauen wir uns erstmal nur in die nächste Flussdorfkneipe beim ersten Stopp und kehren schnell wieder aufs Boot zurück.
Unterdeck ist voll mit Lieferware, und die Kühltruhe (weiße Klappe) ist ebenfalls randvoll. Sie ist so groß, wie die Grundfläche des Boots.Sogar Autos werden verschifft. Denise, unsere Koordinatorin an Bord, zwischen Unmengen an Waren
Ihr könnt euch vorstellen, dass das lange dauert, bis entladen ist, was am jeweiligen Stopp entladen werden soll. Eine logistische Meisterleistung. Wenn mehr Zeit war, nahm uns Denise (hinten im Bild) mit auf kleine Exkursionen mit dem Beiboot.
Kleine Exkursion mit Denise und einem unserer KapitäneAn hübschen kleinen Dörfern vorbei
Wir treffen dabei auf verschiedene ‚Ribeirinhos‘. Flussbewohner. Und das gefällt uns sehr gut. Es zeigt den ganz normalen Alltag am Amazonas.
Erster Fischer, von dem wir etwas kaufenPiranha-Fischerin, von der wir auch etwas kaufenBesuch in einer SiedlungDie Familie lebt hier seit 60 Jahren.
Unsere Männer spielen Fußball mit dem Sohn der Familie, während ich mich für den Garten interessiere.
Cashewfrucht mit CashewnussAvocadobaumHübsch angelegtes Pimenta-Beet (weiß nicht genau, ob Pfeffer oder Chili)
Die Bewohner waren sehr freundlich, wenn auch vielleicht etwas überrascht über unseren Besuch. Ich glaube, Denise und der Kapitän haben das relativ spontan organisiert, weil wir den Wunsch geäußert haben, auch mal durch ein Dorf zu laufen.
Abschiedsfoto nach einem etwa 1-stündigen Besuch im Dörflein
Die Verständigung auf brasilianischem Portugiesisch hat dank Cesar, der sowohl Portugiesisch als auch Englisch spricht, gut geklappt. Ohne ihn wären wir verloren gewesen, denn auch Denise und der Kapitän konnten kein Englisch. Und das bisschen Spanisch, das wir alle konnten, kam auch recht schnell an seine Grenzen. Meistens kann man noch eine Frage stellen, aber schon die Antwort versteht man dann nicht mehr.
Cesars Interesse an Linguistik hatte noch mehr Vorteile für uns: Er hat einfach zusammen mit Denise auf dem Boot herumgefragt, ob Indigene an Bord sind. Und siehe da: Natürlich! Und so hat er die Indigenen in unserem Aufenthaltsraum zusammengetrommelt, wo jeder ein bisschen erzählt hat und auch Fragen stellen durfte. Das war sehr, sehr schön. Wir haben uns alle in unserer Muttersprache vorgestellt, das dann selbst ins Englische übersetzt und Cesar dann ins Portugiesische. Ein rechtes Babylon war das 🙂
Die älteste Indigene an Bord. Sie war 70 Jahre lang die Hebamme und die ‚Medica‘ in ihrem Stamm an der kolumbianischen Grenze.Kleiner Beitrag zur Völkerverständigung: junge und alte Indigene und wir
Man mag überrascht sein, wie modern die indigenen Jungs aussehen. Ich denke, auch da wird es innerhalb der Stämme geteilte Meinungen geben: Einige wollen traditionell weiterleben, andere wollen in die moderne Zivilisation. Es fiel oft der Begriff „semi-integriert“. Das trifft es wahrscheinlich ganz gut.
Jedenfalls muss man sich von der Vorstellung verabschieden, dass man direkt am Ufer noch „echte“ Wilde im Baströckchen rumhüpfen sieht. Dafür muss man sicher erstmal einen Tagesmarsch oder zwei tief in den Urwald.
So gingen die Tage vorbei, und ab und zu ist dann auch noch etwas Außerplanmäßiges passiert, wie z.B. dass Ivan, Cesar und Ronny zu lange in einer Flussdorfkneipe abgehangen sind und unser Boot einfach ohne sie abgelegt hat – kein Witz! Chris und ich konnten nichts tun (wir waren an Bord geblieben).
Knallhart – die Monteiro fährt einfach weiter, obwohl noch Passagiere fehlten!
Das Beiboot musste sie einsammeln. Oder dass ein anderer Kahn fast gekentert wäre, und wir mit unserer Wasserpumpe aushelfen mussten.
Oder wie wir mitten in der Nacht auf einen versunkenen Baumstamm aufgelaufen sind und mehrere Stunden daran festhingen. Es passierte doch so einiges.
Das schlimmste Ereignis aber trug sich wirklich kurz vor dem Ende der Fahrt zu, und es hat mich ziemlich erschüttert.
Der letzte Hafen (Tabatinga) war in der Ferne schon in Sicht, als ich an der Reling stehe und auf einmal Hilferufe aus dem Wasser höre. AJUDA!!! AJUDA!!! Ein Mann treibt im Amazonas. Er klammert sich an einen blauen Plastikkanister, treibt immer weiter. In einiger Entfernung sitzt ein weiterer Mann regungslos in einem winzigen Holzboot, er schaut dem anderen nach.
Mittlerweile haben alle die Hilferufe gehört und den Kapitän informiert. Wir wenden und suchen den Mann. Man muss dazu sagen, dass es nachts stockfinster ist auf dem Amazonas. Kaum Boote, keine Uferbeleuchtung. Nur unser Scheinwerferkegel und ein paar private Taschenlampen.
Nach einigen Minuten finden wir den Mann wieder. Er ruft immer noch und strampelt panisch mit den Beinen. Den Plastikkanister umklammert er immer noch. Vor meinem geistigen Auge zieht die Rettungsschwimmer-Fortbildung, die ich mit Kollegen erst kürzlich gemacht habe, vorbei. Das wäre jetzt genau die Situation: den Ertrinkenden anschwimmen und sich mit einem gekonnten Griff aus seiner mutmaßlichen Umklammerung befreien, um ihn dann in Rückenlage ans Ufer zu schleppen. Aber das hier? Bei so hohem Wellengang? Im größten Fluss der Erde, Piranhas on top? Ich fang an zu weinen. Irgendwie nimmt mich das ziemlich mit. Wie wird das ausgehen? Dann endlich wirft jemand einen Rettungsring. Nur leider nicht weit genug. Scheiße. Er treibt immer noch stromabwärts. Und wo ist eigentlich unser Beiboot? Das ist schon zum Hafen gefahren, weil wir ja so gut wie schon da waren. Ein großer Fehler, wie sich nun rausstellt.
Schließlich holen einige Männer eine Art Rettungsinsel aus Plastik vom Dach und lassen sie zu Wasser. Zwei Männer schwimmen mit der Rettungsinsel auf den Ertrinkenden zu. Es ist eine wilde und dramatische Szene, aber sie schaffen es und ziehen den Mann an Bord.
Rettungsaktion in der Finsternis
Puuuh… Echt krass. Der andere in seiner Nussschale kann auch gerettet werden. Kurzes Aufatmen. Doch dann sagt jemand einen Satz, den ich lieber nicht gehört hätte: „Sie waren zu dritt.“ Oh nein. Ich befinde mich in einem echten Drama. Das eben war nur das retardierende Moment. Wir fahren wieder los, stromabwärts. Suchen einige Minuten, dann wird klar, wir werden den Dritten mit unserem trägen großen Boot nicht einholen können. Der Amazonas hat ihn vermutlich längst verschluckt.
… dass so etwas noch am Ende der 7 Tage passieren muss … was soll man dazu sagen. Es war einfach nur sehr, sehr traurig.
So spendet der größte Fluss der Erde viel Leben. Aber manchmal nimmt er es auch.
Die Fahrt auf der Monteiro – auf jeden Fall ein unvergessliches Erlebnis!
Und nach 2 Tagen in Leticia (Kolumbien), die aber wenig spektakulär oder dokumentationswürdig waren, bin ich mittlerweile aus dem tiefen Dschungel ausgeflogen und an der Bahía angekommen, an der Ostküste Brasiliens. In einem sehr schönen Städtchen namens Salvador. Von hier aus geht es morgen (Mi., 24.8.) auf die Insel ‚Morro de Sao Paulo‘, einst eine Aussteigerinsel, auf die ich mich nun sehr freue.
„Ich fahr jetzt nicht ernsthaft mit den Amish People hier in den Amazonas, oder?“, frage ich mich, als die amerikanische Familie zu mir in den Pick-up steigt. Die 6-jährige Audrey trägt ein biederes langes Kleidchen und eine Kopfbedeckung, wie sie oft die Amish People tragen. Eine streng religiöse Gruppe. Na das kann ja lustig werden. Immerhin ist der Rest der Familie halbwegs normal gekleidet.
Wir steigen am Südufer des Rio Negro in ein „motorisiertes Kanu“, das uns zum Anaconda Resort bringen soll, welches sich wiederum auf einer Flussinsel befindet.
Mit Amish People im Amazonas?30 min Bootsfahrt zum Anaconda „Resort“
„Resort“ ist natürlich eine sehr beschönigende Bezeichnung, das war mir schon klar. Für 100 Euro pro Nacht bekommt man im Amazonas eher einfache Unterkünfte… Die richtig geilen Lodges mit dunklem Holz und Atmosphäre gehen dann bei knapp 200 Euro pro Nacht los, Preise nach oben offen (und vieles war auch schon ausgebucht, weil ich mich nicht gekümmert hab).
Meine „Superior Suite“Anaconda ResortHier lag ich oft.Hier gab’s Essen.
Es sind schon um die 10 Leute da, als wir dazukommen. Zwei weitere amerikanische Familien. Eine Harley-Davidson-Rocker-Familie mit ihrer erwachsenen Tochter, alle drei ketterauchend und tätowiert. Die Tochter dürfte mein Alter sein. Ich nenne sie Hunchback Peggy, weil sie eine noch schlechtere Haltung hat, als ich, und so buckelig wie Quasimodo daherkommt. Ich ziehe bei ihrem Anblick meine Schultern gleich mal 5 cm zurück. Und dann ist da noch ein alleinerziehender American Dad mit drei Teenagern, ebenfalls ein Raucher. Und den Rest bilden ein Vater-Sohn-Gespann aus Berlin sowie ein alleinreisender italienischer Steuerberater.
Wow. Ok. Dass das hier so family-lastig wird, hätte ich nicht gedacht.
8 Amerikaner, 2 Deutsche, 1 Italiener
Nach einem sehr guten und ausgewogenen Essen (Bohnen, Reis, Hühnchen, Fisch, Rote Beete, Wurzelgemüse, Salat, Melone, … ) startet dann das Programm, um das man hier leider nicht drumherum kommt. Wenn ich schon das Wort „Tour Package“ höre, krieg ich’n Schreikrampf. Es war aber, egal was ich gegoogelt habe, offensichtlich „the thing to do“.
Todesmutig arbeite ich den Programmpunkt ab, vor dem ich mich am meisten fürchte: Swimming with pink dolphins. Diese Kreaturen sind die hässlichsten Delfine, die ich je gesehen habe, wirklich. Hautfarbene bis gräuliche Tiere mit einer sehr langen Schnauze, in der sich eine Reihe schwarzer Stummelzähnchen verbergen. Absolut widerlich. Und in Wirklichkeit heißen sie, glaube ich, auch Schweinswale und nicht Pink Dolphins. Das trifft’s schon deutlich eher. Aber dann könnte man es den Touristen ja nicht so gut verkaufen.
Meine Körperhaltung sagt alles.Geh mir bloß weg mit den Schweinswalen!
Ein weiterer Programmpunkt war zwar nicht eklig, dafür aber enttäuschend: Visiting a native family. Hoho, ‚a native family‘, das klingt erstmal spannend. Nur leider waren damit nicht die indigenen Stämme gemeint, sondern einfache Flussdorfbewohner. Normale Brasilianer. Der Besuch ist dermaßen langweilig, das ich kein einziges Foto mache und wirklich ziemlich enttäuscht bin.
Nächster Programmpunkt: Piranha fishing. Da muss ich sagen, das war besser als erwartet. Das lag aber auch daran, dass mittlerweile eine nette Gruppe Italiener angekommen war, und mit denen war es ganz lustig auf dem Boot.
Mit der Italo-Combo beim Piranhafischen, irgendwie niedlichToter Piranha (kommt bald auf den Grill)
Ok. Nun zu mehr schönen Erlebnissen. Bezaubernd fand ich dann die Mangrovenwälder und die unendliche Sanftheit des Rio Negro. Mir war gar nicht klar, was es mit diesem Fluss auf sich hat. Also er ist schwarz wie ideal lang gezogener Tee. Klar. Keine Matschbrühe wie der Rio Amazonas oder der Rio Solimoes, auf den wir uns morgen begeben. Er hat einen sauren ph-Wert, weswegen er angeblich die Moskitos vertreibt (tatsächlich gab es kaum welche!) und das Baden im Fluss sei sehr gesund. Daher sind wir auch an einer Stelle ohne Piranhas mehrmals baden gewesen. Weil das Wasser an sich sehr klar ist, gab es wunderschöne Spiegelungen.
Doppelter Regenbogen am Rio NegroDämmerung am Rio Negro
Ja … schon schön. Und ganz besonders die Morgenstunden im Resort, wenn der Generator endlich um 6.00 Uhr morgens aufhörte, zu rattern, waren ein Traum an Friedlichkeit und Naturschönheit. Ich saß dann einfach da, die Dschungelgeräusche im Rücken, den Sonnenaufgang vor mir.
Sonnenaufgang
Kommen wir langsam zum Ende. Sorry, dass das hier so lang wurde. Man kommt dann halt doch ins Labern…
Wir wollten dann doch noch eine indigene Familie sehen, wohlwissend, dass auch das nicht so 100%ig authentisch ist, aber gut. Und es war zumindest mal sehenswert und auch hörenswert. Denn die hatten doch mindestens 4 verschiedene Waldinstrumente drauf, die sie dann während einer „Zeremonie“ gespielt haben.
Noch mehr Touri-Quatsch: Ich tanze notgedrungen mit dem Schamanen.Ein so halbwegs „indigener Stamm“
Videos hab ich auch gemacht, aber nicht zusammengeschnitten. Vielleicht reich ich das noch nach.
Und einer der letzten Programmpunkte war eine Dschungelwanderung. Sie war exakt 2 km lang. Also … unter ner Wanderung verstehe ich etwas anderes, aber gut. Mit den Italienern im Bunde lass ich mich dann auch zum Tarzanspielen hinreißen und finde es – wie man sieht – auch ganz lustig 🙂
An der Liane …… und durch den Regenwald. Ich, Guide Maxi und der nette Alessandro
Vor allem die Bootsfahrten durch den Regenwald und die Geräusche im Dschungel haben es mir sehr angetan. Das ist schon cool. Ich werd auch ganz sicher nochmal auf Dschungeltour gehen, aber anders. Und vor allem da, wo mehr Tiere sind. Denn außer zwei Taranteln, einer mini Schlange und Monstermaden gab es wenig wirklich Sehenswertes.
Zurück in Manaus treffe ich dann nach vier Tagen im Dschungel endlich Ronny und Christina, zwei gute alte Freunde. Sie sind noch viele Monate unterwegs, und ich freue mich, sie auf einem kleinen Abschnitt begleiten zu können.
Wir erkunden die Stadt, gehen sogar ins Stadtmuseum, in die berühmte Oper (allerdings nur auf ein Konzert) und … wir gehen zweimal Pizza essen!
Denn ab Samstag werden wir gemeinsam eine 7-tägige Amazonas-Flussfahrt machen. Bohnen und Reis dürften täglich im Programm sein, da darf man vorher auch nochmal Pizza reinstopfen.
Wir fahren mit einem ganz normalen Passagier- und Frachtschiff, das immer mal wieder hält, sodass man die Gegend erkunden kann.
Die Reise geht nach Westen. Ziel: das 3-Länder-Eck Brasilien, Peru und Kolumbien.
Jetzt geht’s vom Rio Negro „runter“ auf den Rio Amazonas und dann stromaufwärts Richtung Westen. Blauer Punkt = Anaconda Resort
Vielen lieben Dank, wenn du bis hierher gelesen hast – ich weiß das sehr zu schätzen. Es ist noch viel mehr passiert, aber ich denke, im Großen Ganzen hab ich die letzte Woche ordentlich zusammengefasst.
Ich melde mich frühestens in einer Woche wieder, denn bis dahin werde ich wiedermal kein Internet haben und angenehm offline über den Amazonas schippern… Hast also bissle Ruhe vom Blog-Gedöns 🙂
Beste Grüße aus der Lunge der Erde!
Eure Claudi
P.S.: Es gab technische Probleme, deswegen sind die Bildgrößen und -unterschriften leider nicht einheitlich. Sorry 😉
Noch heute Nacht geht’s weiter in den Amazonas, fernab von Internet und Zivilisation. Hoffentlich. Daher nur ganz kurz: Ich hatte an Tag 1 und 2 in Rio offensichtlich riesen Glück mit dem Wetter – denn Tag 3 kam ziemlich stürmisch und regnerisch daher!
Tag 2 also noch bei Sonnenschein: der Zuckerhut. Mit der Seilbahn ging es auf knapp 400 m, nur dieses Mal auf der anderen Seite der Stadt. Brilliante Aussicht, das muss man schon sagen!
Hoch auf den Zuckerhut (Sugarloaf Mountain)Links oben im Bild die Stelle, an der ich gestern stand (zusammen mit Jesus)
Es kam aber schon früh am Morgen ein ziemlicher Wind auf, und der zog sich auch unten am Meer bis in den Abend hinein.
Vom Winde verweht auf dem ZuckerhutRios Kitesurfer am Ipanema Beach
Unten am Meer wieder angekommen, merke ich recht schnell, dass mein Plan für den Nachmittag nicht aufgehen würde, der da hieß „in der Sonne liegen“.
Man sieht es dem Foto mit den Kitesurfern nicht an, aber sonnenbaden am Strand war definitiv nicht mehr möglich, so hat’s gepfiffen!!!
Sandgestrahlt – mit jeder Menge Sand in den Ohren und Haaren – spaziere ich also früher als gedacht heim ins Hostel und nehme beim Nach-unten-Schauen zum ersten Mal so richtig das berühmte Muster der hießigen Strandpromenade wahr.
Das berühmte Muster der Strandpromenade von Ipanema und Copacabana…es zieht sich über mehrere Kilometer!
Abends dann: Regen! Auch das noch. Vielleicht doch ein Zeichen des Winters? Und als ich heute Morgen aufwache regnet es tatsächlich immer noch … ok. Ich akzeptiere. Dann ist das wohl die Einstimmung auf den Regenwald, der mich morgen erwartet…
Vor mir liegt der Flug nach Manaus, quasi die Dschungelhauptstadt des Amazonasgebiets. Abflug 23.30 Uhr, Ankunft 3.00 Uhr. Leider holt man mich erst um 8.15 Uhr am Flughafen Manaus ab, von daher richte ich mich mal auf eine eher ungemütliche Nacht irgendwo in einer Ecke des Flughafens ein, in der ich die 5 Stunden Wartezeit auf den Dschungel-Transfer überbrücke.
Merke: Reisen ist nicht immer eitel Sonnenschein. Es gibt eben solche Tage und solche Tage.
PS. Kleiner Nachtrag noch zu Tag 1, den ich euch nicht vorenthalten möchte:
Brazilian Beauties beim Fotoshooting
… bewundernswert, so locker und frei zu sein, oder? Ich fand es ein sehr schönes Motiv.